Technik und Musik
Mit einem solchen Lautsprecher kann man sich natürlich vergnügt der Musik widmen. Stephan Zeh ist dieser Aspekt besonders wichtig, da er sich nicht als reiner Techniker versteht – der musikalische Aspekt spielt eine wichtige Rolle für ihn. So ist für ihn auch seine Zeit in den Park Studios besonders wichtig.
Wie siehst du dich beruflich?
Zeh: Ich wollte anfangs nur Engineer und Mischer sein. Später habe ich bei Mandoki auch viele Dinge arrangiert und in dieser Richtung mitgearbeitet. Dadurch kam ich wieder mehr zur Musik. Heute, 15 Jahre später, ist der musikalische Anteil ein sehr großer. Ich denke auch, dass man im Recording noch viel intensiver arbeitet mit einem gewissen musikalischen Background-Wissen. Schon der Zusammenarbeit mit den Musikern tut es einfach gut, wenn man die musikalische Seite abrufen kann.
Ein Recording-Engineer sollte immer auch Musiker sein?
Zeh: Das würde ich gar nicht so sagen. Bei mir trifft sich das hervorragend, aber es gibt sicher auch tolle Engineers, die keine Musiker sind. Ich schöpfe aber sehr viel Energie daraus.
Wie würdest du bei dir das Verhältnis zwischen dem Musikalischen und dem Technischen einschätzen?
Zeh: Das hängt vom Projekt ab. Es gibt ja Projekte, bei denen ich nur als Dienstleister die technische Seite betreue. Wenn ein Projekt es braucht oder zulässt, kann ich mich eben auch musikalisch einbringen. Aber in genauen Zahlen kann man das nicht ausdrücken. Es gibt ja Projekte, die ich komplett produziere, da laufen die beiden Seiten auch zusammen.
Deine Arbeit beginnt also teils beim Songwriting und geht bis hin zum Mastering?
Zeh: Schon, ja. Bei eigenen Produktionen gebe ich das Mastering gern auch aus der Hand und hole mir eine zweite Meinung. Aber wenn ich gebeten werde, dann mache ich auch mal ein Mastering. Ich biete das aber nicht von mir aus an. Ich habe ja auch keine Werbe-Broschüre in dem Sinne.
Eine Broschüre braucht Zeh auch nicht, die Aufträge finden ihn. So ist er in der glücklichen Position, sich die Projekte aussuchen zu können, an denen er arbeiten möchte. Ein solches Projekt ist Singer-Songwriter Alex Diehl, mit dem Zeh seit 2011 zusammenarbeitet und dieses Jahr bei der Vorausscheidung für den Eurovision Song Contest den zweiten Platz belegen konnte. „Das ist natürlich toll“, freut sich Zeh, „wenn man so ein Projekt vom ersten Vorsingen bis hin zum zweiten Album und zum ESC-Vorentscheid begleiten darf“. Aber auch kleinere Produktionen haben ihren Reiz für den Mischbatterie-Betreiber nicht verloren. „Das kann auch mal was ganz Kleines sein, wo man vier Tage lang einer Jazz-Band einfach einen guten Sound macht und nicht nachts schweißgebadet aufwacht, weil man sich fragt, ob der Gsus4-Akkord der richtige für den Pre-Chorus ist“, sagt er, lacht und fügt hinzu: „Zur Zeit arbeite ich mit einer Münchner Band, das macht irre Spaß. Wir haben auf Tape aufgenommen, ungeschnitten, uneditiert, rough, kaum Gitarren-Doppelung. Das hat einfach eine ganz andere Attitüde.“
Busfahrer
„Attitüde“ ist ein interessantes Wort, bezeichnet Zeh seine Herangehensweise doch als „Mixing with attitude“. Es geht ihm nicht darum, technische Parameter abzuarbeiten – Zeh möchte einen Song durch die Elektronik mit den vielen Knöpfen an den Punkt bringen, wo er im Hörer etwas auslöst. „Das ist auch der Grund, weshalb ich noch analog arbeite“, erzählt er. „Manchmal verfluche ich diesen Wahnsinn, weil ich einfach das Pult immer am Start haben muss.“
Du gehst also viel über das Pult?
Zeh: Ich arbeite ja mit enorm vielen Bussen – auch parallel. Die bilden bei mir aber nicht so sehr einzelne Instrumenten-Gruppen ab. Es geht mir eher darum, in welcher Kombination mit welchem Gerät Drums und Bass zum Beispiel am besten funktionieren. Ich hasse Transparenz. Das klingt erstmal provokant, aber ich mag es nicht, wenn ein Bass nicht mit der Musik arbeitet. Für meinen Sound verflechte ich gerne die Instrumente zu einem Netz, das wird fast schon eine Art biologische Masse. Ich mag, wenn es etwas schmutzig klingt. Wenn es nicht einfach nur digital sauber funktioniert – das können viele andere, ich kann das vielleicht gar nicht.
Guter Sound darf also „suboptimal“ sein?
Zeh: Ich denke schon. Ich arbeite auch fast nie mit irgendwelchen Referenz-Produktionen. Ich versuche, für den jeweiligen Act etwas zu entwickeln, was passt. Das kann etwas ganz anderes sein als bei der Produktion, die danach kommt. Es ist wichtig, dass eine Produktion eine eigene Signatur bekommt. Ich habe lange versucht, „dem perfekten Sound“ nachzujagen. Natürlich muss der Sound ordentlich sein, aber man muss in erster Linie etwas finden, was dem Anspruch oder der Aussage des Songs gerecht wird.
Hast du ein Beispiel aus deiner Arbeit?
Zeh: Da fällt mir Xavier Darcy ein, ein Singer-Songwriter aus München. Das ist noch Underground, ohne Label dahinter. Das Wesentliche waren hier sein Gesang und seine Akustikgitarre. Drumrum haben wir alle Instrumente rein unterstützend aufgebaut und zum Beispiel kaum Direktsignale bei den Drums verwendet, um nie von seiner Performance abzulenken. Trotzdem hatten wir am Ende eine fette „Wall of Sound“. Man entscheidet sich ja schon während des Produktions-Prozesses für eine bestimmte klangliche Signatur.
Wie arbeitest du dann im Mix?
Zeh: Ich habe schon damals in den Park Studios auf einem Aux-Weg immer ein bestimmtes Preset vom Lexicon bereit gehabt, das ich stark komprimiert oder sogar verzerrt habe. Wenn mir dann irgendwo der Kleber gefehlt hat, konnte ich damit zum Beispiel die Lücke schließen. Der Effekt hat die Signale vermengt. Irgendwann hat mir das auch nicht mehr gereicht, so kamen Stück für Stück Dinge hinzu. Mittlerweile fahre ich ein sehr intensives Multibus-Konzept.
Was meinst du damit?
Zeh: Mir geht es darum, herauszufinden, wie man Synergie-Effekte zwischen einzelnen Instrumenten finden kann. Das geht deutlich weiter als der übliche Instrumenten-Bus, auf dem ein Kompressor liegt. Stattdessen arbeite ich mit einer Art von „Energie-Bussen“. Das sind Busse, die eine gewisse Signatur bieten und mal gut für die Drums funktionieren, mal aber auch gut mit dem Bass. Das kann dann bei jeder Produktion unterschiedlich sein. Jedenfalls arbeite ich im Grunde immer über Send-Return, ich habe kaum noch Inserts. Auf diese Weise muss ich nichts umstecken und ich kann entscheiden: Was mache ich mit dem Piano? Kommt es auf eine der Stereo-Summen? Oder schicke ich es auf einen der Busse? Ich habe mir immer zwei Busse zu Stereo-Paaren zusammengestellt. Ein Bus komprimiert im VCA-Stil, auf einem anderen sitzt ein Röhren-Limiter, den ich liebe. (Ein Inward Connections TSL-4 Vac Rac – Anm. d. Red.) Ein weiterer Bus produziert Distortion über meine Standard Audio Level-Ors.
Heißt das, du stellst die Geräte gar nicht großartig ein?
Zeh: Wenn ich ein Gerät kaufe, dann finde ich irgendwann eine Einstellung, die mir gefällt, und so bleibt das dann auch. Es gibt dann vielleicht einmal ein zweites Setting, aber das war's. Die Level-Ors sind seit zwei Jahren da hinten im Rack. Die Sound-Suche funktioniert dann komplett vom Pult aus: Wie viel Gain schicke ich zu dem jeweiligen Bus und wie laut fahre ich den Bus in den Mix? Für meinen Vocal-Sound habe ich mittlerweile acht feste Busse, mit denen ich arbeite.
Wie bist du auf diesen Weg gekommen?
Zeh: Früher habe ich nur über Inserts gearbeitet. Ich kam dann auf der Suche nach Lautheit zu diesem Weg. Ich hatte damals das Problem, dass ich oft zu leise gemischt habe. Das hat mir ein oder zwei Jahre Kopfzerbrechen bereitet, man bekommt schließlich keine Jobs, wenn man zu leise ist. Für mich funktioniert es nicht, einen guten Mix am Ende mit einem Limiter um 6 dB aufzupumpen. Das ist nicht mein Sound, das klingt bei mir nicht gut. Ich hatte immer das Gefühl, das zerstört mir die Basis-Wellenform zu sehr. Also war mein Umkehrschluss: Ich fahre diejenige Energie parallel dazu, die ich final auch für Lautheit brauche – vielleicht wie ein Wasserbecken, das immer voller wird.
Und das steuerst du alles über das Mischpult?
Zeh: Das ist die Ex-Konsole von Harold Faltermeyer, die kommt aus der Zeit von 1995 und war damals Mischpult-Oberklasse. Eine Euphonix, ein Hybrid aus einer CS2000 und einer CS3000. Das Konzept ist sehr modular, komplett analog aufgebaut und digital ferngesteuert. Dadurch ist das Pult enorm flexibel. Insgesamt hat die Konsole 96 Vorverstärker für Mic und Line mit Phantomspeisung, Phasendreher und Pad – allerdings nutze ich die fast nie, weil ich vor allem über Outboard tracke: V76, Neves, im Aufnahmeraum das Rack mit den Telefunken-Kassetten und so weiter.